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Pressekonferenzen achter Spieltag

Dresden, 21/11/2008

Nach dem Auftritt des Tromso-Vertreters Lars Andreassen am Vortag waren auch die Pressekonferenzen des achten Spieltags von Vertretern des nordischen Landes mitbesetzt. Dabei drehte sich Vieles um einen der (noch) gar nicht dabei war: Magus Carlsen.



Zur ersten Pressekonferenz nach dem achten Spieltag erschienen zwei Damen aus Tunesien. Najla Krifa besetzt Brett zwei und ist FIDE-Meisterin. Es ist ihrer erste Olympiade und heute gab es eine weitere Premiere:

 

 

„Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Schnee gesehen“. Schach lernte Najla bereits mit fünf Jahren von ihrem Vater, auch wenn die Sportart in Tunesien vor allem unter den Mädchen noch nicht sehr populär ist. Die 21-jährige Amani Matoussi spielt ein Brett dahinter und hat immerhin schon drei Punkte in Dresden gesammelt.

 

 

„Ich freue mich über alle Großmeister, die ich hier sehen kann, einen speziellen Favoriten habe ich nicht.“


Neben Susan Polgar hatte ein Schachweltmeister Platz genommen. Leinier Dominguez ist Kubaner und hat vor zwei Wochen zu seiner eigenen Überraschung die Blitz-WM in Kasachstan gewonnen: „Ich habe zwar davor intensiv mit meinen kubanischen Mannschaftskameraden geblitzt, aber da ich sonst nicht besonders viel Blitz spiele habe ich den Sieg nicht erwartet.“ Er ist damit nach Capablanca der zweite Kubaner, der einen Titel bei den Männern erringen konnte, Arencibia und Bruzon waren jeweils Jugendweltmeister. „Wie sah die Reaktion in der Heimat aus?“ fragte Susan nach.

 

 

„Ich weiß, dass da schon große Begeisterung herrscht, obwohl ich zwischen Blitz-WM und Olympiade natürlich nicht dort war. Ich habe eine Menge Emails mit Glückwünschen bekommen, Fidel Castro war persönlich aber nicht dabei“. Im nächsten Jahr wird man Leinier in Wijk an Zee und Linares sehen. „Da freue ich mich schon sehr darauf, mich mit der Weltspitze messen zu können“. Ob er eine andere Strategie beim Blitzschach anwende, als in Partien mit normaler Bedenkzeit? „Nein, außer dass ich schneller spiele und versuche, immer einen kleinen Zeitvorteil zu behalten, spiele ich genauso.“ Mit welchen Erwartungen die Mannschaft in die Olympiade gegangen sei, wollte ein Jornalist wissen. „Eigentlich waren unsere Erwartungen recht hoch, wir wollten unter die ersten fünf oder zumindest zehn kommen. Die Kämpfe bisher liefen nicht ganz glücklich für uns, aber wir kämpfen bis zum Schluss“. Kaltes Wetter begeistert Leinier zwar nicht, aber er ist arktisches Wetter von verschiedenen Turnieren in Russland gewöhnt, so dass er sich in Dresden „fast wie im Sommer“ fühlt.


Auf der anderen Seite saß Henrik Carlsen, der Vater von Magnus. „Wie gehen Sie mit dem ständigen Trubel um, der rund um Magnus herrscht?“ Der sympathische Herr Carlsen erzählte: „Ich kann es selbst kaum glauben, ich bin eher ein Hobbyschachspieler und habe früher die Superstars aus der Ferne betrachtet. Jetzt ist Magnus mittendrin und ich auch. Mit der Zeit gewöhnt man sich an vieles, es ist immerhin schon Magnus’ dritte Olympiade.“ Später erzählte er:

 

 

„Wir haben wirklich versucht, ihn ganz normal zu erziehen, wenn mir jemand vor zehn Jahren prophezeit hätte, dass er so eine Entwicklung nimmt, hätte ich es nicht geglaubt. Er hat schon früh Interesse an Technik gezeigt und wollte den Dingen auf den Grund gehen. Er hat immer noch ein großes Interesse am Schach, da habe ich kaum das Gefühl, dass er das als Arbeit sieht. Er hat noch drei Schwestern, da bekommt er zu Hause noch so etwas wie Familienleben mit, auch wenn er 200 Tage im Jahr unterwegs ist.“ Wie es mit Magnus’ Musikgeschmack aussehe wollte Susan noch wissen, etwa klassisch? „Nein, da hört er Pop, keine Klassik!“


Der traditionelle Tip auf den Olympiasieger lautete bei Henrik Carlsen „Norwegen, zweimal!“, Leinier Dominguez favorisiert Armenien bei den Männern und China bei den Damen, die beiden Tunesierinnen wollten sich nur auf China in der Damenkonkurrenz festlegen.


Zum zweiten Teil hatte sich erneut ein Norweger eingefunden, um den sich die Organisatoren schon seit Tagen bemüht hatten: Simen Agdestein ist in Norwegen ein Superstar. Er war Fußball-Nationalspieler bis 1992, als Norwegen mit zur europäischen Spitze gehörte. Außerdem besetzte er lange Jahre das Spitzenbrett Norwegens, bis sein Schüler Magnus Carlsen ihn überflügelte. „Ich habe mich uneingeschränkt darüber gefreut“ bekannte Simen.

 

 

„Heute spiele ich kein Fußball mehr, höchstens noch einmal mit ein paar Schülern“. Er betreibt eine Privatschule in Norwegen, die von Schülern im Alter von 16 bis 18 Jahren besucht wird. Es werden die üblichen Unterrichtsfächer geboten, Schach kann als Sportfach gewählt werden und wird dann ungefähr zwei Stunden täglich unterrichtet. Derzeit besuchen 14 Schüler die Schachklasse, darunter auch Magnus Carlsen, obwohl der meistens auf Reisen ist. „Aber die Klasse schafft er trotzdem, wir kriegen ihn schon durch“ war sich Agdestein sicher. „Jon Ludvig Hammer ist auch in der gleichen Klasse (Anm.:das fünfte Brett des norwegischen Teams) und es gibt noch einige andere Großmeisterkandidaten“ verwies er zu Recht auf den Erfolg seiner Schule. Auf die Frage nach der Finanzierung antwortete er: „Die Schule kostet 3000 Euro im Jahr, die muss auch Carlsen bezahlen. Das kann er auch locker, er verdient ja eine Menge. Dafür erlassen wir seiner Schwester die Gebühren, weil Magnus fast nie da ist.“ Wie es mit Magnus Carlsens Interesse an der Damenwelt und umgekehrt aussehe interessierte Susan. „Im Umgang mit Freunden ist er total locker und auch hier bei der Olympiade kann ich feststellen, dass eine höhere Wertungszahl wohl zu einer höheren Attraktivität führt“ schmunzelte Agdestein.


Ebenfalls auf dem Podium Platz genommen hatte der Ukrainer Andrej Volokitin, der das fünfte Brett besetzt und zum 4:0 Erfolg gegen Neuseeland einen Punkt beisteuerte. Volokitin war schon Weltmeister unter 12 Jahren gewesen, hatte vor vier Jahren mit der Ukraine in Calvia triumphiert und ist nun 22 Jahre alt. Ganz zufrieden ist er nicht:

 

 

„Es könnte besser, aber auch schlechter sein, wir haben 13 Mannschaftspunkte.“ Auf Nachfrage erzählte er, dass sich die Spieler getrennt voneinander vorbereitet hätten. „Dresden ist sehr schön. Wahrscheinlich die schönste Stadt Deutschlands“ meinte er weiter. Er muss es wissen, schließlich ist er in der Bundesliga für Tegernsee unterwegs. Im nächsten Jahr wird Volokitin dann in Wijk an Zee in der B-Gruppe starten.


Der dritte Gast des Abends war Jan Banas, der Kapitän des slowakischen Männerteams. Wie sich die Situation des Schachs nach dem Zerfall der Tschechoslowakei entwickelt habe, wollte Susan Polgar von ihm wissen. „Die Situation ist nicht leicht, die Spieler können zwar jetzt in der Welt herumreisen, aber der Staat unterstützt uns nicht. Bei uns gibt es bei den Herren drei Spieler, die wirklich Profis sind, nämlich Movsesian, der nicht in der Slowakei wohnt, Ftacnik und Stohl. Bei den Damen nur Repkova. Dann gibt es vielleicht noch zehn Leute, die als Schachtrainer ihr Auskommen haben.“ Auch Banas konnte eine Anekdote zu Magnus Carlsen zum Besten geben:

 

 

„Ich habe 2001 gegen ihn gespielt. Keine Ahnung, wer er war, ich stand total auf Gewinn, konnte den Punkt aber nicht einfahren, der Bursche hat sich gewehrt. Als mir dann jemand gesagt hat, dass das der kommende Superstar ist, hat mich der Ehrgeiz gepackt und ich habe schnell den Punkt eingefahren.“


Zum Abschluss ließ es sich Agdestein nicht nehmen, auf die Schönheiten Tromso’s hinzuweisen, das 2014 die Olympiade ausrichten will: „Da gibt es die Mitternachtssonne, das Klima ist sehr mild und wir haben keine Eisbären in den Straßen!“


Text: Peter Dengler
Fotos: Georgios Souleidis

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